Eine musiktheatralische Séance um Paula Roth mit Texten von
Katja Brunner, Anja Horst, Ariane von Graffenried und Martin Bieri
Uraufführung
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Premiere am 1.April 2023 | Theater St.Gallen | UM!BAU
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Presse
Peter Surber schreibt im Ostschweizer Kulturmagazin Saiten vom 4.4.2023: […] «Selig sind die Holzköpfe» ist eine bildstarke Hommage an eine eindrückliche Frau – und an das Theater. […] Klug balanciert die Inszenierung am Melodrama vorbei und vermeidet auch die Falle des Naturalistischen, in die einen das abenteuerliche Leben der Paula Roth locken könnte. Was hier stimmungssicher beschworen wird, ist vielmehr exemplarisch: das Schicksal einer Frau, die sich in einer dumpfen Männerwelt behaupten musste, gewehrt hat, immer wieder den Kürzeren zog und sich dennoch nicht kleinkriegen liess. «Hexe» nannten sie die einen, ein «liebes Hexlein» nennt sie sich selber. Die Hexe, «hagazussa», die auf dem Hag sitzt zwischen bürgerlicher und magischer Sphäre – sie ist am Ende auch ein Sinn-Bild für das Theater, das sich seinen künstlerischen Reim auf die Realität macht und dabei das Publikum und die Gesellschaft über den eigenen Zaun hinaus blicken lässt. Mit Selig sind die Holzköpfe ist Jonas Knecht nochmal dieser Spagat geglückt, mit einem Ensemble und Leitungsteam, das seine Hommage an eine charismatische Frau auch zur Hommage an den scheidenden Schauspieldirektor werden liess. Langanhaltender Applaus.
Die Nachtkritik vom 2.4.2023 hat unsere Premiere so erlebt: […] Jonas Knecht setzt ganz auf die Kraft seiner Bilder – die haben es in sich. Die Winterlandschaft zu Beginn (Bühne: Michael Köpke) wird zum Winterwald, zur Messielandschaft, zum Messiegebirge, bis der Raum leergeräumt wird und eine leuchtende Jukebox im Dunkeln erzählt. Jonas Knecht fängt Stimmungen ein und zeichnet sie mit sieben Schauspieler:innen und zwei Musiker:innen auf die Bühne. Schafe blöken, Paulas zucken, Uhus erkunden das stille Gasthaus. Mächtige Windstösse legen die Kleiderlandschaft frei, im Kleidergebirge wird versucht, Ordnung zu schaffen, Pappköpfe – wie sie Paula Roth ins Fenster stellte, um Einbrecher abzuschrecken – formieren sich zum Tableau. Stimmungsvoll auch die Musik von Anna Trauffer und Andi Peter. Mal Soundteppich mit traumverlorenem Glockenspiel, mal videospielpoppig, mal Choral, mal Schuberts Leiermann zitierend und quergeschnitten mit dem Berner Volkslied vom Vogulisi – die Atmosphären, die Jonas Knecht auf die Bühne zeichnet, setzen Trauffer und Peter in Klang um. Eine musiktheatralische Séance, so der Untertitel des Stücks – Wirtin Paula Roth ergreift am Schluss selber das Wort. Wer sie wirklich war? Wer weiss das schon. Jonas Knecht und sein Ensemble erschaffen einen stimmungsvollen, liebevollen Bilderbogen – eine Hommage an eine ungewöhnliche Frau.
Das St.Galler Tagblatt vom 3.4.2023 meint: […] Holzköpfe, Tier- und andere Masken (Kostüm: Sabine Blickenstorfer) mischen denn auch kräftig mit auf der von Michael Köpke entworfenen, zunächst in durchscheinende weisse Schleier gehüllten Bühne; sie geben dem Stück visuelle Magie. Während Paula Roth selbst im Unscharfen bleibt, konturenlos, nur heraufbeschworen von allen gemeinsam und abwechselnd – von Anna Blumer, Tabea Buser, Birgit Bücker, Pascale Pfeuti, Anja Trobler, Tobias Graupner und Julius Schröder –, in einer bild- und soundstarken, von Marcel Leemann choreografierten «musiktheatralischen Séance». […] Der Text ist nur ein Teil der Spurensuche; er schichtet poetische Annäherung, biografische Erzählung und schlaglichtartige, nicht dramatisch verdichtete Szenen – etwa vom Klinikaufenthalt in der Psychiatrie in Münsterlingen, bei dem die geballte Lebenswut der in eine unglückliche Ehe gezwungenen Patientin durch Medikamente «verwinzt» wird. […]
Kultur Kompakt auf SRF 2 sieht es so (ab 00:24:15): Wirtin, Heilerin, Künstlerin – das Schauspiel St. Gallen zeichnet mit «Selig sind die Holzköpfe» in einer bildgewaltigen Inszenierung Stationen des Lebens von Paula Roth nach.
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Trailer
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Zum Stück
Um die Thurgauer Künstlerin, Heilerin und Wirtin Paula Roth ranken sich viele Geschichten. Nachdem die „Hexe vom Albulatal“ 1988 in ihrem Restaurant Bellaluna ermordet worden war, wurde sie endgültig zur Legende. Unter dem Titel „Selig sind die Holzköpfe!“ hat das Theater St.Gallen dieser aussergewöhnlichen Frau einen Theaterabend gewidmet.
Die Auseinandersetzung mit Paula Roth markiert einen folgerichtigen Abschluss von Jonas Knechts Tätigkeit am Theater St.Gallen. Es war von Anfang an sein Anliegen als Schauspieldirektor, auf der Bühne auch Menschen und ihre Geschichten aus der Region zu zeigen und auf ihren Spuren Themen wie Heimat und Identifikation nachzugehen. So sehr aber das Leben von Paula Roth mit der Natur, der Landschaft und den Menschen in der Ostschweiz verknüpft ist, so sehr ist der Stoff mit seinen Fragestellungen auch von universellem Interesse: Was war das für ein Refugium, das sich Paula Roth erschaffen hat? Ein Gegenentwurf zum etablierten Gesellschaftssystem, das sie umgab? Eine Parallelgesellschaft in den Bergen? Welche Optionen haben Menschen, Gruppen oder ganze Staaten, die keinen Zutritt zu einer Gemeinschaft ihresgleichen haben – oder diesen vielleicht gar nicht haben wollen? Wie weit reicht die gegenseitige Solidarität – grundsätzlich und gerade auch in Krisenzeiten?
Paula Roth km 1918 in Güttingen am Bodensee zur Welt. Sie hatte ein überaus bewegtes Leben, vor allem eine unglückliche Ehe warf sie in eine tiefe Krise. Sie wurde krank, litt zudem an einer Zitterlähmung und fasste nach fünf Jahren den Entschluss, sich von ihrem Mann zu trennen. Die beiden Kinder wurden ihm zugesprochen, was zeitlebens zu einer sehr schwierigen Beziehung der Mutter zu ihren Kindern führte. Aber Paula Roth kämpfte sich weiter durchs Leben, arbeitete als Schneiderin, Haushälterin und Kellnerin. 1962 entdeckte sie das heruntergekommene, leerstehende Gasthaus Bellaluna im Albulatal. Sie pachtete und renovierte das abgelegene Haus und kaufte es wenige Jahre später. Als Wirtin, Künstlerin und Naturheilerin erwarb sie sich bald einen Namen als schillernde Aussenseiterin. 1988 wurde sie in ihrem Wirtshaus von drei Männern überfallen und mit mehreren Messerstichen getötet.
Für das Theater St.Gallen ist es ein Glücksfall, dass für dieses Projekt als Hauptautorin Katja Brunner gewonnen werden konnte. Die junge, bereits sehr erfolgreiche Schweizer Dramatikerin näherte sich Paula Roth sehr assoziativ an. Weitere Texte haben Anja Horst, Ariane von Graffenried, Martin Bieri und Jonas Knecht beigesteuert. Im Variantenreichtum der Texte spiegelt sich auch die Vielschichtigkeit der Persönlichkeit Paula Roth. Doch das Stück mit dem Untertitel Eine musiktheatralische Séance erzählt nicht linear ihre Geschichte nach. «Wir haben nicht den Anspruch, ein vollständiges Bild von Paula Roth zu zeichnen. Eine Séance ist ja eigentlich eine Geisterbeschwörung. «Wir wollen versuchen, gewisse Aspekte von Paula greifbar, spürbar zu machen, Bilder dafür zu finden. Wir werden Paula nicht als Figur darstellen», sagt Jonas Knecht. Stattdessen sucht die Inszenierung nach Ritualen tänzerischer Natur, die es ermöglichen, Menschen, aber auch Tiere darzustellen, die in Paula Roths Leben von grosser Bedeutung waren. Über diese Bewegungen, Musik und Bilder soll die aussergewöhnliche Frau wieder lebendig werden. Die Choreografie von Marcel Leemann und die Live-Musik von Anna Trauffer und Andi Peter spielen dementsprechend eine sehr wichtige Rolle.
Regisseur und Co-Autor Jonas Knecht ist vor allem von der Stärke und Eigenständigkeit von Paula Roth fasziniert. «Sie ist durch alle gesellschaftlichen Maschen gefallen, schaffte sich dort im Albulatal eine Art Parallelwelt, in der sie nach eigenen Vorstellungen regierte. Sie war eine ganz starke Person, ist immer wieder auf die Beine gekommen, hat sich behauptet gegen alle Widrigkeiten», sagt er. Die Eigenwilligkeit, aber auch Verschmitztheit von Paula Roth wird auch illustriert durch den Titel des Stücks. Auf einen selbst geschnitzten Holzkopf, eine Art Selbstbildnis, setzte sie die Inschrift: «Selig sind die Holzköpfe, denn sie ertrinken nicht.»
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Besetzung
INSZENIERUNG Jonas Knecht
LIVE-MUSIK Anna Trauffer, Andi Peter
CHOREOGRAPHIE Marcel Leemann
BÜHNE Michael Köpke
KOSTÜME Sabine Blickenstorfer
DRAMATURGIE Anja Horst
LICHT Andreas Volk
REGIEASSISTENZ UND ABENDSPIELLEITUNG Sina Wider
INSPIZIENZ Patricia Flores
SOUFFLEUSE Dorothea Gilgen
SPIEL Anna Blumer, Tabea Buser, Birgit Bücker, Pascale Pfeuti, Anja Tobler, Tobias Graupner, Julius Schröder